Glossar / Infos

Das nachfolgende Glossar zeigt keine Vollständigkeit des diesbezüglichen Wissens, skizziert Ihnen aber Begrifflichkeiten, die wir im Text unserer Webseite genannt haben und die für uns aus erlebter Erfahrung eine hohe Bedeutung in unserer fachärztlichen Einstellung und unserem therapeutischen Angebot und Vorgehen haben.

 

Achtsamkeit (Mindfulness): ein Zustand von Geistesgegenwart im «Hier und Jetzt», in dem ein Mensch hellwach konzentriert und wirkungsvoll die gegenwärtige Verfasstheit seiner direkten Umwelt, seines Körpers und seines Gemüts per Wahrnehmungsübung über seine Sinnesorgane erfährt ohne von Gedankenströmen, Erwartungen, Erinnerungen, Fantasien oder starken Emotionen abgelenkt zu sein, ohne darüber nachzudenken oder diese Wahrnehmungen zu bewerten oder zu vergleichen.Ein zentraler Baustein von moderner störungsspezifischer Psychotherapie (z.B. bei DBT oder MBCT) gemäss der Philosophie und Methodik des Zen. (Achtsamkeitsmeditation bei Jon Kabat-Zinn)


AMDP (Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie): ein System zur standardisierten Erfassung und Dokumentation eines psychopathologischen Befundes, dessen Erfassung unverzichtbare Voraussetzung jeder psychiatrischen und psychotherapeutischen Arbeit und Behandlung ist.

 

Berliner Erklärung zu Klimawandel und psychischer Gesundheit (Auszug aus der Presseerklärung): Bislang fokussiert die Diskussion auf Umwelt, Lebensumstände und die körperliche Gesundheit des Menschen. Nicht minder dramatisch sind die Auswirkungen aber für die Psyche. Die DGPPN-Task-Force «Klima und Psyche» hat erarbeitet, was über den

Zusammenhang von Psyche und Klimawandel bekannt ist und mit der «Berliner Erklärung zu Klimawandel und psychischer Gesundheit» Handlungsforderungen für die Politik und eine Selbstverpflichtung der Psychiatrie vorgestellt. Vermehrte Suizide bei Hitze, Posttraumatische Belastungsstörungen in Folge von Extremwetterereignissen oder neue Syndrome wie Eco-Distress oder Solastalgie – der Klimawandel gefährdet die psychische Gesundheit, direkt und indirekt. Der psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsbedarf wird steigen und die Psychiatrie muss sich darauf einstellen. Bislang ist das Gesundheitssystem darauf nicht vorbereitet. Mit der «Berliner Erklärung zu Klimawandel und psychischer Gesundheit» fordert die Psychiatrie die Politik auf, sofort tätig zu werden. Es müssen jetzt die notwendigen

Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die psychiatrische Versorgung auch in der Klimakrise gewährleisten zu können. Gesundheitsförderung muss in allen politischen Bereichen priorisiert und die seelische Gesundheit konsequent einbezogen werden. Das Gesundheitssystem muss für den steigenden Bedarf gerüstet werden. Gleichzeitig verpflichten sich die in der Psychiatrie Tätigen, ihren Beitrag zur Bewältigung der enormen Herausforderungen zu leisten und

die Psychiatrie nachhaltig und klimaneutral zu machen.


Bio-Psycho-Soziales Konzept: nach George Engel, mehrdimensionales Modell, das der Multikausalität und den vielfältigen Wechselwirkungen von Krankheit Rechnung trägt. Ein Versuch biologische und psychosoziale Ansätze im Verständnis psychischer Störung und entsprechender Behandlung zu verbinden. Biologisch-genetische und psychosoziale Faktoren können in einem Fall die Erkrankung ursächlich bedingen, in einem anderen Fall den Verlauf der Erkrankung bestimmen oder als Folge der individuellen psychischen Erkrankung erscheinen. Wir wissen heute, dass nicht allein das Gehirn entscheidend ist für das Befinden eines Menschen, sondern auch seine körperliche Disposition, seine Biografie und seine Lebenssituation.


Biologische Psychiatrie: Zu den biologischen Therapieverfahren gehören die Psychopharmakologie und die nicht-psychopharmakologischen Verfahren. Dazu zählen die Chronotherapien, inklusive Schlafhygiene, Wachtherapie (Schlafentzug) und Lichttherapie, sowie die Stimulationsverfahren (z.B. Elektro-Konvulsions-Therapie, transkranielle Magnetstimulation). Hier finden naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden Anwendung. Wir wissen heute, dass das Zusammenspiel von Biologie, Biografie und Kultur verantwortlich ist für die Neuroplastizität des Gehirns. Die Behandlungskonzepte der praktisch verbreiteten kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierten Psychotherapie sind gleichrangig mit psychopharmakologischen Behandlungen und nicht-pharmakologischen Behandlungsverfahren im ganzheitlichen Sinne eines breiten modernen Behandlungsspektrums. In dieser Hinsicht ist die Einzigartigkeit der Psychiatrie in den medizinischen Disziplinen zu betonen, da hier sowohl biologische als auch mentale Vorgänge im Organismus betrachtet, diagnostiziert und behandelt werden. Dies auch mit der Erkenntnis, dass das Verständnis mentaler Zustände, zu denen auch psychisches Erleben gehört, wissenschaftlich schwer erfassbar sind.  Zugleich gelingt es über genetische und epigenetische Forschung und auch neurochemische und bildgebende Verfahren die mentalen Vorgänge immer besser zu beschreiben und zu erfassen. So können sowohl Vorhersagen als auch Verläufe einer psychischen Störung und ihrer Behandlung beschrieben und evaluiert werden, was den Einsatz optimierter Behandlung wesentlich günstig beeinflussen kann. 


Burn-Out-Syndrom: Triade aus Erschöpfung – Ineffizienz – Zynismus – keine klassifizierte depressive Störung, aber Risikofaktor bzw. Vorstufe von depressiver Erkrankung


CBASP: Das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy ist ein psychotherapeutisches Behandlungsverfahren, entwickelt von James P. McCullough speziell zur Behandlung von Patienten mit chronischer Depression. CBASP setzt direkt an der Entwicklungsblockade der Betroffenen an und verbindet verhaltenstherapeutische, kognitive, psychodynamische sowie interpersonelle Strategien zu einem innovativen Verfahren, das eine besonders hohe Wirksamkeit in der Kombinationstherapie mit Antidepressiva entfaltet.


CME: Continuing Medical Education beschreibt eine kontinuierliche berufsbegleitende Fortbildung der in der Medizin tätigen Ärzte. Lebenslange Fortbildung ist integraler Bestandteil der ärztlichen Profession und dient der Aktualisierung der fachlichen Kompetenz. In vielen Ländern (u.a. CH und D) ist eine ausreichende Fortbildung obligatorisch für die Berufsausübung und fachliche Anerkennung.


DBT: Die Dialektisch Behaviorale Therapie nach Marsha Linehan basiert weitgehend auf etablierten, d.h. empirisch abgesicherten kognitiv-behavioralen Methoden, integriert jedoch eine Vielzahl von Strategien und Techniken aus anderen therapeutischen Schulen, aus der Neurobiologie, aus den Sozialwissenschaften sowie fernöstlicher Meditationslehre. DBT ist ein störungsspezifisches Konzept zur Behandlung von Borderline-Persönlichkeits-Störungen, findet Anwendung bei Suizidalität, bei Suchterkrankungen, bei Essstörungen und in der Forensik. Weitere Störungsbereiche befinden sich in der Evaluation dieser therapeutischen Anschauung.

Therapeutisch prägnant sind die Erarbeitung von Grundannahmen, die Veränderung von dysfunktionalen Verhaltensweisen und das Gewahrwerden und Training von persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten (Skills). Zentral ist hier das Erlernen der Inneren Achtsamkeit («wise mind») und von Skills zur Emotionsregulation, zur Stresstoleranz und zur zwischenmenschlichen Kommunikation.


Epigenetik: Ein Fachgebiet der Biologie, das inzwischen etabliert ist im Fokus von Entstehung und Behandlung psychischer Störungen (u.a. bei Angst-, Stress- und Traumafolgestörungen). Es werden Prozesse an/auf den Chromosomen («epi» = «obendrauf») beschrieben, die - ausgelöst durch Umweltfaktoren oder durch individuelle Erfahrungen - sich auf die Aktivität von Genen auswirken und sogar «zur Vererbung von Stress und Traumata» führen können.


Evidenzbasierte Medizin: Eine nicht nur auf persönliche Erfahrungen basierende Medizin, die nach den jeweils besten nachprüfbaren Belegen für den Nutzen einer Behandlung oder Untersuchungsmethode aus systematischer Forschung fragt und in die Behandlung integriert, um die Versorgung eines individuellen Patienten optimal zu gestalten.

 

Heimat*: Nach Theodor Adorno Heimat ist das Entronnensein“ und nach Ernst Bloch Heimat

ist eine Utopie, in welcher der Mensch das Seine ohne Entäusserung und Entfremdung in realer Demokratie

begründet“. In ihren Werken * ist Heimat ein noch ausstehender Fluchtpunkt, in dem die Entzweiung von

Mensch und Natur aufgehoben wäre, somit eine Einheit aus Mensch und Natur wieder entstehe., das

Paradies? – *Adorno: «Dialektik der Aufklärung» / Bloch: «Das Prinzip Hoffnung».

Nach Rainer Maria. Rilke: „die findigen Tiere merken es schon, dass wir nicht sehr verlässlich zu Hause sind

in der gedeuteten Welt“ und modern gesprochen: „in der Zeit der wirtschaftlichen wie kulturellen

Globalisierung und ihres Imperativs der Flexibilität bieten weder nationalistisch gefärbte Heimatbestimmungen

noch die Schablonen des Heimattümlichen eine befriedigende Antwort dafür, was Sehnsucht in seiner

Gesamthaftigkeit beschreibt“.


Ich-Identität: nach Sigmund Freud das Ergebnis des Wechselspiels von «Es» und «Über-Ich». In Weiterentwicklung dieses Ansatzes beschreibt Erik Homburger Erikson, dass Kinder ihre «Ich-Identität» nach einem epigenetischen Ansatz entwickeln, wonach ein jedes Individuum eine Reihe von psychosozialen Phasen durchläuft, die das Persönlichkeitswachstum prägen. In diesem Sinne sind auch Krisen unbedingt dafür geeignet eine stabile Ich-Identität zu bilden oder eben auch nicht, wenn zu grosse Störungen entstehen. Bemerkenswert ist der Aspekt des «genetischen Filters», welcher entscheidet welche äusseren Umwelteinflüsse wichtig für die Entwicklung der Ich-Identität sind und somit je nach Anlage die Ich-Identität mehr oder weniger beeinflussen können. Das Wissen darum erleichtert den Zugang in die Wahrnehmung der Heterogenität eines jeden Individuums. 


IPT – Interpersonelle Psychotherapie: Therapieansatz von Klerman & Weissman zur stationären Behandlung von schwer depressiven Patienten mit dem Konzept, dass der Weg aus einer Depression über die zwischenmenschliche Beziehung führen kann. Indiziert ambulant bei Patienten mit akuter unipolarer Depression, bei denen der Beginn der Depression mit belastenden Lebensereignissen bzw. Lebensphasen in Zusammenhang steht. Aus dieser Sicht entstehen Depressionen durch multifaktorielle Verursachungs- und Vulnerabilitätsfaktoren. Die Therapeutenrolle ist aktiv, unterstützend und ist auf die Seite des Patienten («sein Advokat»).


Kognitive Verhaltenstherapie: Cognitive-Behavioral Therapy (CBT) kombiniert kognitive und verhaltensbezogene Ansätze. Bei der kognitiven Therapie liegt die Annahme zu Grunde, dass bei psychischen Störungen vermehrt negative Emotionen (z.B. Wut, Ärger, Traurigkeit, Unsicherheit) funktionell «falsche» Denkmuster, sogenannte dysfunktionale Kognitionen, vorliegen. Gemäss A.T. Beck haben depressive, angst- oder auch persönlichkeitsgestörte Menschen negative Grundannahmen von sich oder ihrer Umwelt. Mittels kognitiver Umstrukturierung mit Einüben und Training neuer hilfreicher und veränderter Denkmuster und unter Einsatz von behavioralen Techniken kann erreicht werden die Veränderungsfähigkeit der Patienten zu erhöhen und sodann über konstruktive Handlungen, vermehrt positivem Denken und schliesslich über die Zunahme passender und angenehmer Gefühle eine Genesung zu erhalten. 


Konsiliar-Psychiatrie: umfasst die psychiatrische Behandlung von Patienten, die primär wegen einer körperlichen Erkrankung behandelt werden, bei denen aber eine psychiatrische Mitbehandlung indiziert ist, sei es durch die bekannte Krankengeschichte oder sei es bei akuter psychiatrischer Symptomatik. Studienergebnisse haben gezeigt, dass fast die Hälfte aller erstrangig somatisch hospitalisierten Patienten ebenfalls eine psychiatrische Erkrankung zeigen. Gühne et al. haben erforscht, dass Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen über ihre psychischen Beeinträchtigungen hinaus auch gravierenden somatischen Risiken ausgesetzt sind. Eine eigene Untersuchung im Konsiliardienst eines Spitals hat erbracht, dass bei über 50% der an sich aus der Somatik heraus erteilten Aufträge für eine konsiliar-psychiatrische Zusatzuntersuchung in der Folge die grundlegende Erkrankung bzw. Störung zur Klinikzuweisung auf psychischer Seite angesiedelt war. Es gelang somit direkt im Anschluss eine psychiatrische Weiterbehandlung zu empfehlen bzw. aufzugleisen und das medizinische Hauptanliegen unmittelbar anzugehen.


Liaison-Psychiater: beschreibt den psychiatrischen Facharzt als Mitglied eines interdisziplinären Behandlungsteams, sei es im ambulanten oder sein es im stationären Bereich.


Merkurstab: mit 2 Schlangen (schwarz und weiss), Symbol der Erkenntnis stets beweglicher Balance im Umgang mit Polaritäten (z.B. bei Abwägung von Therapieoptionen oder in der Kommunikation). Mit dem (Wander-)Stab des Äeskulap (mit gleichnamiger Natter) Symbol des ärztlichen Berufstandes. 

 

Mind-Body-Unity: Mit Überwindung der Dichotomie der klassischen Medizin, wo zwischen körperlichen und psychischen Symptomen unterschieden wurde und auch entsprechend jeweils einseitig orientierte Therapieansätze verwendet wurden, besteht heute ein modernes Befund- und Behandlungskonzept in der Annahme und Gewissheit der Einheit von Körper und Psyche und seinem untrennbaren Zusammenwirken. Davon unberührt ist selbstverständlich die Interdisziplinarität der Fachgebiete in der Medizin, um schwerpunktmässige Diagnose- und Therapieansätze optimal und mit bestmöglicher Expertise zum Wohl des Patienten einzusetzen und aber zugleich angesprochen ist ein im Sinne des Patienten kooperatives Miteinander vom jeweiligen Krankheitsbild angesprochener Fachdisziplinen.


Mindfulness-Based Interventionen:  insbesondere DBT und MBCT (Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie) von Zindel V, Segal J et al. zur Rückfallprävention von Depressionen. Durch Übung von Achtsamkeit kann es gelingen eine bewusstere Wahrnehmung von Stimmungen, Körperempfindungen, Gedanken und Gefühlen zu fördern und dadurch eher in der Lage zu sein Frühwarnsymptome rechtzeitig zu bemerken und frühzeitig therapeutische Massnahmen einzuleiten, um Rückfälle bestmöglich zu vermeiden. Zentral ist – neben Meditation und achtsamen Körperübungen – als Element der kognitiven Verhaltenstherapie sogenannte automatische Gedanken durch realistische Gedanken und Anschauungen im «Hier und Jetzt» auszutauschen.

«Wir wissen heute, dass der von Depression oder von Angststörung Betroffene selbst (bei entsprechender Therapie und Psychoedukation, mittels Tagesstrukturtraining, Aufrechterhaltung von Routinen, sozialer und sportlicher Aktivierung, Ernährung u.a.) befähigt ist sein depressives/ängstliches Handeln und sein depressives /ängstliches Denken zu verändern und so den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen und die Rückfallgefahr reduzieren kann.»

 

Therapiemanual Soziale Phobie: In fachlicher Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim von uns mit Medizinische Publikationen produziertes erstmalig multimedial und didaktisch hilfreich mit Schauspielern als Demo-Patienten und -Therapeuten realisiertes Selbsthilfe-Therapie-DVD-Manual zur Behandlung spezifisch phobischer Ängste und zum Selbstwert-Training, nachfolgend wissenschaftlich evaluiert und in Medien berichtet, in unserer Praxis bei entsprechender Indikation im Einsatz.


Recovery-Modell:  Das Konzept der «Wiederherstellung» geht vom Ansatz aus, dass vor psychischer Erkrankung Gesundung bestanden habe. Das Modell beschreibt das Potential «Wiederherstellung» als persönlichen Prozess, als Reise der Heilung und Transformation. Dafür brauche es eine sichere Basis, hilfreiche und fördernde zwischenmenschliche Beziehungen, Selbstbestimmung (Empowerment), soziale Integration und Problemlösungskompetenz und nicht zuletzt auch Hoffnung und Zuversicht einen (neuen) Lebenssinn zu erreichen und die persönlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Gesundungswege verlaufen meist nicht linear. Der Recovery-Ansatz stellt daher nicht eine völlige Symptomfreiheit in den Mittelpunkt. Sondern ein zufriedenes und aktives Leben, das auch mit psychischen Problemen möglich ist.


Resilienz: Resilienz: beschreibt den Prozess wie Menschen auf Herausforderungen, Veränderungen oder Belastungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren. Die individuelle Resilienz bezeichnet das Aufrechterhalten bzw. die rasche Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während oder nach stressvollen Lebensumständen. Es dient der Einschätzung eines Individuums sich Stressoren anpassen zu können und diese zu bewältigen. Den ursprünglich eher technisch gedachten Ansatz mit Rückkehr in den Vorzustand haben wir allerdings neu zu denken, da wir aufgrund der natürlichen Konzeption unseres Organismus und des Nervensystems nie ohne eine molekulare, biochemische und auch strukturelle Veränderung die Zeit passieren und damit die Rückkehr in einen früheren Zustand unmöglich ist.. Mit dem im Einzelfall orientierten Vorgehen welche Faktoren negativen Einfluss auf Resilienz haben können bzw. wie Resilienz gestärkt werden kann, spielt die Beachtung der individuellen Resilienz eine grosse Rolle in der Therapie, da diesbezügliche Faktoren durchaus ambivalent wirken können. So hat sich empirisch und in Studien gezeigt, dass eine infektionsbedingte soziale Isolation, z.B. in der COVID-Pandemie, ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die individuelle Resilienz haben kann: Eher extrovertierte Menschen, denen wichtige Kommunikationsfelder durch z.B.

unmittelbare Repräsentationsräume fehlen, leiden in der Folge unter Anpassungsstörungen und eher Introvertierte, die eine eher asynchrone Kommunikation bevorzugen, fühlen sich in der geringeren sozialen Dichte eher wohl und berichten eine bessere Gestimmtheit und ein verbessertes Wohlergehen durch die geringere soziale Belastung und geringere persönliche Inanspruchnahme (z.B. Wegfall von Präsenzen und Fahrwegen). Introvertierte berichten ein für sie subjektiv angenehmes und entspanntes Gefühl, was auf der korrespondierenden Verhaltensebene (ohne den Umstand der speziellen Situation) an sich als z.B. angststörungs-aufrechterhaltendes Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten exploriert werden kann.

 

(Sehn-)Sucht**: Sucht hat viele Gesichter. Etwas haben fast alle Süchte gemeinsam: Sehnsucht. Sehnsucht nach einem positiven Gefühl, nach Anerkennung oder Liebe, nach Geborgenheit, Aufmerksamkeit, Ruhe, nach Vergessen, innerem Frieden. Eine Sucht entwickelt sich auch nicht von heute auf morgen, sondern langsam, schleichend, Schritt für Schritt. «Nur wer die Sehnsucht kennt, weiss, was ich leide“ (aus: Wilhelm Meisters Lehrjahre, Johann Wolfgang von Goethe). „Was ist Eure Sehnsucht – wozu gibt es sie?“ Bsp. Bremer Stadtmusikanten (Gebr. Grimm) – „etwas Besseres als den Tod findest Du überall“ -> Vorbild wie eine verlassene Heimat zu einer neuen handlungsleitenden Perspektive werden kann“ – therapeutisch wirksam.

Sehnsuchtsorte: Erinnerungen oder Vorstellungen, die positive Emotionen, Assoziationen und Bilder bewirken, ablenken können, fühlen lassen „als man war und sein konnte“ – therapeutisch wirksam

Gegenbegriffe sind Heimat - Fremde - Ist Zuhausesein -> Glück, Liebe? damit protektiv? - Ist Fremdsein -> Pech, Leid? damit vulnerabel? Fremdsein und psychisches Leiden sind oft vergesellschaftet (ICD-10-Symptomatologien). „Heimat ist an äusseren Orten festzumachen - Heimatlosigkeit ist eher ein innerer psychischer Zustand“ (aus Sucht und Heimat, Christian Scharfetter). „Jede Sucht ist eigentlich Ich-Sucht, ein narzisstisches Phänomen; Sucht sucht eine Bestätigung des Ich, sucht Identität, Struktur, Halt, Wert, Überdecken, ein Ausblenden der Leere. Der Mensch ist suchtanfällig, sein Ich ist gefährdet, verletzbar, fragil, instabil, fluktuierend, schwankend.“ (aus: Was weiß der Psychiater vom Menschen, Christian Scharfetter, 2000).

„Der Mensch findet sich im unbehausten ewigen Wanderer Ahasver, im menschenfernen Kaspar Hauser als

ausgesetzt, ungeborgen, heimatlos gespiegelt. Sucht: Flucht vor dem Leiden eigentlicher Heimatlosigkeit. Ein nicht

in sich selbst zur Ruhe kommen können“.

Heimatlosigkeit in der Psychopathologie der Sucht und vermutlich auf alle Psychopathologien

übertragbar, hat seine Ursache in einem gescheiterten Selbstverhältnis. Heimat ist zwar äussere

Struktur, Heimatlosigkeit aber ein inneres Getriebensein. (Therapieansatz bei Suchtverhalten).

Dabei besteht ein positives therapeutisches Angebot im „Wiedererfahren von Heimat, eine

Übereinstimmung, ein Stimmigsein mit sich selbst erfahren, wozu der eigene Leib gehört“ - Grundkonzept

eines multimodalen Therapieprogramms – therapeutisch wirksam.

In der äusseren Heimat kommt zu Ruhe, Gelassenheit, wer die innere Heimat gefunden hat – auf

dem Weg hin zur Authentizität der eigenen Wesensart, mutig und gefasst das eigene Vermögen

unter Berücksichtigung von Fehlern und Schwächen zu leben. Suche nach dem Ich – Re-

Mobilisierung von Ich-Stärke, interpersoneller Kommunikationsfähigkeit über Biografie- und

Ressourcen-Arbeit – therapeutisch wirksam.

Die Suche nach Heimat ist auch eine Reise ins Innere und eine Auseinandersetzung mit dem

eigenen Selbst und der eigenen leiblichen Verfasstheit. Wenn Beheimatetsein in der eigenen

Leiblichkeit nicht mehr möglich ist, erhalten Psychiatrie und Psychotherapie einen Auftrag;

Zielsetzung der Therapie: Beim Patienten die Übereinstimmun in Körper und Psyche wieder

herzustellen, ein Stimmigsein wieder entstehen zu lassen (Mind-Body-Unity).

 

zu Heimat* und Sehnsucht** habe ich als reiche Quelle gerne das Buch «Utopie Heimat» von

Martin Heinze, Dirk Quadflieg, Martin Bührig zur Hand genommen und habe daraus als

Gedankenskizzen frei zitiert.

Meine Auswahl persönlicher Sehnsuchtsorte /personal places of longing: Badenweiler,

Markgräfler Land (D), Clovelly, Devon (UK); Lohme, Rügen (D), Nature`s Valley,

Gardenroute, Westkap (SA); Petrified Dunes Namib (NAM), Sintra, Lissabon (POR).